Warum wir neue Vorbilder brauchen – Die Zeit der Macher ist vorbei

Warum wir neue Vorbilder brauchen – Die Zeit der Macher ist vorbei

Warum wir neue Vorbilder brauchen

Boris Grundl durchlief eine Blitzkarriere als Führungskraft  und perfektionierte in dieser Zeit die Kunst, sich selbst und andere auf höchstem Niveau zu führen. Er ist Management- Trainer, Unternehmer, Autor sowie Inhaber der Grundl Leadership Akademie. Als solcher redet Klartext, bleibt dabei stets humorvoll und bringt die Dinge präzise auf den Punkt. Im August ist ein neues Buch: “Die Zeit der Macher ist vorbei – Warum wir neue Vorbilder brauchen” erschienen. Wir haben uns mit ihm über die “neuen Macher”, die neuen Mitarbeiter und den Einfluss der Frauen unterhalten.

Was macht heute einen erfolgreichen Macher aus, und wie unterscheidet er sich von dem Typus, der früher Erfolg hatte? 

Der Macher von früher hat sich selbst durch die Anhäufung von Verantwortung und damit Macht immer stärker gemacht. Er wollte Kontrolle, hat alles an sich gezogen, und sich so eine Art Alleinherrschaft errichtet. Heute dagegen sollten kluge Macher die Balance zwischen Zupacken und Loslassen für sich gefunden haben. Der Macher von heute weiß, wann er sich einmischen und wann er sich raushalten muss. Während es früher darum ging, Macht bei sich zu zentrieren und sich unverzichtbar zu machen, verfolgen die Macher von heute, ich nenne sie Inspiratoren, das Ziel, sich selbst überflüssig zu machen. Dabei wollen beide Machertypen erfolgreich sein, aber die Strategien könnten unterschiedlicher nicht sein: Die Fähigkeit, anzupacken, um etwas aufzubauen, um eine Idee zu verwirklichen, dann aber im richtigen Moment loszulassen, wenn man merkt, dass die Mitarbeiter dank konsequenter Führung kompetent genug geworden sind, um das Ziel zu erreichen: Das ist der entscheidende Unterschied, der Führung und Entwicklung von Menschen heute ausmacht.

Boris Grundl

Warum braucht man heute andere „Macher“?

Die Menschen haben sich verändert. Im Gegensatz zu früher, als sie sich in den Dienst der Firma stellten und dafür Sicherheit bekamen, wollen Menschen heute mitentscheiden. Sie lassen sie sich nicht mehr klein halten, sie wollen Verantwortung übernehmen und Teil des Ganzen sein. Früher brauchte es Mitarbeiter, heute Mitdenker. Wir sind jetzt mit komplexeren Herausforderungen konfrontiert, daher ist es unabdingbar, Macht und Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen. Eine Zentrierung aller Macht auf wenige Personen ist heute nicht mehr wirkungsvoll. Die Macher von heute sind Inspiratoren und dadurch werden sie zum Menschenentwickler. Sie inspirieren andere zu eigenverantwortlichem Handeln, zum Wohle aller.

Was hat sich verändert?

Genau wie das Straßenverkehrsnetz war Erfolg früher, also für die alten Macher, planbar. Heute ist das unmöglich. Durch die Globalisierung ist es zu einer enormen Diversifizierung und Spezifizierung gekommen. Während früher einer den Wagen problemlos lenken konnte und freie Sicht auf die Strecke zum Ziel hatte, steht er heute vor einer Nebelwand – und das jeden Tag aufs Neue. Einer alleine kann jetzt nicht mehr das Steuer übernehmen – es braucht viele Sensoren, beziehungsweise mitspracheberechtigte Mitdenker, die zusammen die nötige Vielfalt an Fähigkeiten mitbringen, um geplante Ziele zu erreichen.

Die Generation Y möchte Verantwortung übernehmen. Sie ist auf der einen Seite bereit, dafür hart zu arbeiten. Auf der anderen Seite möchte sie aber auch eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Was bedeutet das für die „Macher“/ Vorbilder von heute?

Kennzeichnend für die neuen Vorbilder ist die konsequente Durchsetzung des Prinzips „Zupacken und loslassen!“. Die Macher von heute zeigen durch ihr Vorleben, dass es eine Balance zwischen Beruf und Privatleben gibt, und dass es möglich ist, herausragende Ergebnisse zu produzieren, gerade weil sie den Ausgleich nutzen und dadurch die Kraft zu Spitzenleistungen aufbringen. Diesen Ausgleich zu finden, sich dorthin zurückzuziehen, wo man den Akku wieder aufladen kann, ist ungleich schwieriger für diejenigen, die ihr Nest nicht zu Hause, sondern im Büro aufgebaut haben. Das sind diejenigen, die im Job zu stark nach Harmonie streben und zu viel Nähe aufbauen. Den seelischen Ausgleich, den jeder Mensch braucht, können wir nicht im Büro finden.

Welchen Einfluss auf die Veränderungen haben die neuen mobilen Medien? Was bedeuten Geräte wie Laptops und iPads, die überall mit hingenommen werden können, für die Generation Y?

Diese Medien sind im Grunde genommen fantastische Kommunikationswerkzeuge, um schneller zu kommunizieren – man muss ihrer aber Herr werden. Egal, wie viel sie genutzt werden, sie ersetzen keine emotionale Nähe, daher können sie auch den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Man darf sich vor allem nicht zum Sklaven dieser Medien machen und sollte sich immer fragen, wer wen führt: Bin ich Herr meiner mobilen Erreichbarkeit und nutze sie, um hoch konzentriert – wie ein Brennglas – zum Ziel zu gelangen? Oder beherrscht die ständige mich und sorgt dafür, dass ich mich zwar wichtig und gebraucht fühle, aber wirkungsschwach – wie eine Gießkanne – bleibe? Wer sich für ständige Erreichbarkeit entscheidet, gibt die Trennung zwischen Zupacken und Loslassen auf. Solche Menschen brennen aus. Erst seelisch, dann körperlich.

Hat die Veränderung auch etwas damit zu tun, dass immer mehr Frauen erwerbstätig sind? Dass diese Frauen zum einen anders geführt werden wollen, zum anderen aber auch Führung übernehmen wollen?

Ja, ganz klar. Seit einigen Jahren sind Frauen im Durchschnitt gebildeter als Männer. Die Tatsache, dass immer mehr Frauen erwerbstätig sind, erfordert eine Veränderung der Führung. Die bisher vorherrschende Art der Machtzentrierung, alles an sich zu ziehen und auszubrennen, ist typisch männlich. Frauen möchten schnell qualitativ hochwertige Ergebnisse produzieren. Männer pflegen stundenlang Seilschaften, die der gegenseitigen Karriereunterstützung dienen. Wo Männer Anerkennung wollen, wollen Frauen Aufmerksamkeit. Männer können sich bis jetzt noch über den Macht-Faktor Zeiteinsatz abgrenzen, da die Frauen nicht bereit sind, so viel Zeit zu opfern. Die neuen Macher wollen genau das auch nicht mehr, sie wollen inspirieren und selbstständige Arbeit ans Laufen bringen, was immer mehr den Weg frei macht für viele Frauen in Spitzenpositionen – jenseits irgendeiner Frauenquote.

Mit welchen anderen Herausforderungen bezüglich der Führung konfrontieren die Mitarbeiter heute ihre Chefinnen und Chefs?

Die Mitarbeiter wollen heute weniger den Erwerb ihres Lebensunterhaltes als reinen Grund für ihre Arbeit sehen, sie wollen einen Sinn erleben. Um Selbsterfüllung aus dem „Sich-Erleben“ zu schöpfen, müssen sie Verantwortung übernehmen, ausprobieren, mitbestimmen. Dazu ist ein Chef nötig, der Größe hat, der seine Angestellten in ihrer Entwicklung unterstützt, ohne von der Angst dominiert zu werden, dass sie ihn irgendwann überflügeln könnten. Je stärker ein Mitarbeiter wird, desto weniger kann man ihn auch unterdrücken und klein halten. Anders als die alten Macher fürchten sich die neuen Führungspersönlichkeiten nicht davor, sondern streben genau diese Entwicklung an.

Was empfehlen Sie den Führungskräften von heute?

Das Wichtigste ist, dass sie verstehen, dass Führung ein Beruf ist. Denn wenn es sich um einen Beruf handelt, dann ist Führung auch lernbar. Es geht heute darum, ob man bestimmte Fähigkeiten und Talente hat, die für die Position nötig sind, aber es wird nicht mehr erwartet, dass man eine geborene Führungskraft ist. Ein Beispiel: Man kann jedem Menschen das Singen beibringen, aber nicht jeden von ihnen zum Opernsänger machen. Auch kann man bei jedem die Sprintfähigkeit trainieren, doch nur die wenigsten werden die 100 Meter unter 10 Sekunden laufen. Es geht auch nicht darum, als Führungskraft eine Art Held oder Superfrau zu sein, sondern man muss lernen, seine Stärken und Schwächen zu erkennen und zu ihnen zu stehen. Später wird man dann für die Wirkung der Stärken respektiert und für seine Schwächen geliebt. Diese Selbsterkenntnis ist Voraussetzung. Und man sollte nicht versuchen, sich ein Stärkebild zu konstruieren, welches nicht der Realität entspricht. Inzwischen wissen wir: Mit der Zeit platzt jede Blase. Dieses künstliche Kartenhaus gründet auf einem nicht stimmigen Selbstbild mit zu hohen Erwartungen – sein Einsturz ist damit vorhersagbar und nur eine Frage der Zeit.

Womit müssen die Führungskräfte von morgen rechnen?

Hierarchie und eine klare Hackordnung waren prägnante Merkmale der Zeit der Macher, die sich immer weiter auflösen werden. Es wird eine wesentlich flachere Hierarchie geben, in der es mehr um Kompetenz und weniger um eitles Statusstreben gehen wird. Die neuen Führungskräfte müssen das Leben und die Menschen verstehen und flexibel genug sein, um die Vielfältigkeit von Menschen wahrnehmen und einsetzen zu können. Differenzierungsfähigkeit ist in hohem Maße gefragt, was ebenfalls eine hohe geistige Flexibilität voraussetzt. Die Führungskräfte von morgen müssen sich darauf einstellen, dass ihre einzige Aufgabe darin besteht, Menschen zu befähigen und zu fordern, und zwar so weit, dass sie in dem, was sie tun, der Beste werden, der sie sein können. Auch wenn sie besser als der Chef sind. Vorbilder von heute müssen und dürfen sich nicht mehr in unnötigen Details verrennen oder sich zu tief in fachliche Themen einmischen. Sie müssen in der Lage sein, fachliche Kompetenz und Menschenentwicklung in Einklang zu bringen. Mit dem Schwerpunkt auf Menschenentwicklung. Das ist eine Herausforderung!

Wenn Mitarbeiter vom Angestellten zur Führungskraft aufsteigen, ändert sich der Inhalt ihrer Arbeit komplett. Früher waren sie für ihre eigenen Ergebnisse verantwortlich. Jetzt sind sie für die Ergebnisse anderer verantwortlich. Was für eine dramatische Veränderung! Früher zu 100 Prozent fachlicher Sachbearbeiter, jetzt zu 50 Prozent Sachbearbeiter und 50 Prozent Führungskraft. Sie werden kaum eine Führungskraft finden, die sich 100 Prozent ihrer Zeit mit reinen Führungsaufgaben beschäftigt. Wahrscheinlicher ist ein Anteil von 20 bis 30 Prozent. Führungskräfte sind eben auch zu einem gewissen Grad höher bezahlte Sachbearbeiter. Trotzdem muss ihnen immer bewusst sein, dass ihr Ziel in erster Linie darin besteht, andere Menschen groß zu machen.

Mehr Informationen unter www.grundlakademie.de

 

Quelle:

http://www.lob-magazin.de/index.php/beruf/425-die-zeit-der-macher-ist-vorbei.html