Scheitern – muss man NICHT kann man aber

Scheitern – muss man NICHT kann man aber

Artikel /Interview mit dem Handelsblatt

Gestern erhielt ich einen Anruf einer Journalistin vom Handelsblatt zum Spontaninterview zum Thema: Scheitern. Ich fragte, wie sie denn auf mich gekommen sei. Ihre Antwort: Im Internet über Recherche und über eine Empfehlung. Sie sei vor allen Dingen auf meiner Webseite über diverse Sätze gestolpert: Wenn Sie nicht mehr weiter wissen oder wissen wollen WIE ES weiter geht…

Die Fragen waren extrem unterschiedlich und auch für mich mal wieder erschreckend, was sich Journalisten denn so fragen oder was sich Menschen da draußen für Fragen stellen oder sich damit beschäftigen.

J: Wie empfinden Sie den Hype der gerade um das Wort ” Scheitern” wohl statt findet?

AMF: Ich finde es schlimm wie viel Menschen da gerade aus dem NICHTS auftauchen und sich berufen fühlen über “Scheitern” zu berichten oder ihre Workshops und Coachings abhalten.

J: Warum?

AMF: Weil diese Personen meistens von etwas erzählen, von dem sie keine Ahnung haben und nur über Dinge sprechen die Sie gehört oder gelesen haben. Und dann mehr oder weniger einen wissenschaftlichen Vortrag darüber halten. Und damit aus meiner Sicht oft Schaden anrichten, der einfach nur Schei.. ist, da sich die Teilnehmer ernsthaft mit “Scheitern” befassen und sich eigentlich Hilfe erwarten bzw. erhoffen.

J: Und was kann man falsch machen?

AMF: FALSCH war vielleicht das falsche Wort 🙂 Ich meine, da kommen Menschen in Vorträge, die sich mit dem eigenen SCHEITERN befassen oder direkte Hilfe benötigen. Denn solch ein Workshop oder Coaching in einem solchen Rahmen ist auch eine Art Schutz und sie hoffen und wünschen sich echte Hilfe, Tipps und bekommen dann nichts oder fast nichts von dem – um das es letztendlich geht beim SCHEITERN.

J: Und um was genau geht es beim SCHEITERN?

AMF: Lassen Sie uns für jeden EINZELNEN bitte immer SCHEITERN definieren.

J: Gibt es nicht die Unterscheidung zwischen “Privat” und “Beruf”?

AMF: Teilweise JA und an sich auch NEIN. Das Scheitern selber ist im Erlebnis immer GLEICH. Also es spielt keine Rolle, ob ich ANGST habe, meinen Partner zu verlieren oder ob ich meinen Arbeitsplatz verliere oder schon verloren habe. Der Unterschied besteht darin, dass beim Job die sogenannte Existenzangst hinzu kommt. Alles andere bleibt gleich – als so Sätze entstehen wie

  • Ich bin nichts WERT
  • Alle werden es mir ansehen, dass …
  • Ich schäme mich so
  • Es ist so peinlich
  • Ich kann NICHTS
  • Super allen geht es gut nur mir nicht
  • Warum passiert dass immer mir ……

Scham, Wut, Panik, Trauer und das SCHLIMMSTE ist die Ohnmacht – die Starre die dabei entsteht.

J: Wie ist das mit der Existenzangst? Und was kann ich denn machen mit der Angst?

AMF: Nun ja, die EXISTENZANGST ist das übelste Gefühl, das entstehen kann. Dieses Gefühl ist mit enormer ANGST und vor allem mit immensen Druck verbunden. Der Mensch neigt dazu, in Bildern zu denken, also sehr viele zumindest. Ist das der Fall, dann stellen sie sich einen Menschen in einer Druckpresse vor, die sich langsam aber stetig immer weiter zu dreht und somit den Druck erhöht. Dieses Bild ist extrem machtvoll und lässt die Menschen nicht mehr klar denken, geschweige denn Handeln. Wir haben aber in Deutschland eine Luxussituation – wir haben ein System, das jeden genau hier auffängt. Jeder hat ein Recht auf Unterstützung und Sicherung: ein Dach über den Kopf, Miete wird bezahlt, Krankenversicherung und ein wenig Geld – nicht viel aber es reicht für das Wichtigste. Das muss man JEDEM, der in Existenzangst, gerät klar machen. Es ist die Möglichkeit sich zu sammeln, wieder Kraft zu tanken und dann wieder nach VORNE zu gehen und auch zu kommen.

J: Und was ist mit der Angst? Kann man das nicht vermeiden und wenn ja, wie?

AMF: Aus meiner Sicht muss jeder einmal in seinem Leben Angst leben. Wir Menschen haben soviel Emotionen in uns – aber in der Regel leben wir nur die sogenannten ANGENEHMEN Gefühle aus: Freude, Spaß, Liebe etc. Sobald es UNangenehm wird trauen wir uns nicht. Beim SCHEITERN ist es jetzt so, dass die Betroffenen – die bewusst von mir nicht OPFER genannt werden – diese Situation teilweise extrem ERLEBEN – und zwar libidinös – also mit allen Sinnen. Und weil sie es genau SO erleben, LERNEN die meisten daraus, das auch ANGST ein Teil ihrer SELBST ist. Und das macht dann keine Angst mehr. Für die Menschen die eben SCHEITERN noch nicht erlebt haben – sie sollten eben alle ihre Emotionen EINMAL erlebt, gespürt haben und auch das geht ganz ohne SCHEITERN live erleben zu müssen oder zu dürfen. Das ist für viele eine extremes Erlebnis aber auch Bereicherung: Etwas ERleben zu dürfen ohne die verbundenen Konsequenzen, die das “Scheitern” so mit sich bringt.

J: Wird SCHEITERN denn dann zu missbräuchlich gebraucht, wie es ja auch vereinzelt Menschen behaupten, die in der Öffentlichkeit stehen?

AMF: Ja bestimmt. Aber es ist wichtig genau diese Menschen den Begriff SCHEITERN erklären oder auf den Punkt bringen zu lassen. Was bedeutet Scheitern für mich? Was verbinde ich damit? Was löst nur das Wort alleine aus? Welche Verknüpfungen gibt es? Dann kommt jeder Einzelne schon viel viel weiter.

J: Viele berichten vom AUFGEBEN – was machen Sie dann?

AMF: Auch hier schaue ich immer zuerst an, was es für den Einzelnen bedeutet: AUFGEBEN oder etwas auf und zu geben – ein kleiner Widerspruch in sich. Was gebe ich AUF? Das Leben selbst? Die Situation? Und was macht die Situation mit mir? Was am Leben will ich aufgeben? Und will ich wirklich zu 100% AUFgeben? Der Mensch der von AUFgeben spricht, will in der Regel HILFE und die gilt es zu entdecken und zu finden. Der Betroffene muss zuerst erkennen, dass er Hilfe braucht, dann muss er aktiv werden und Hilfe suchen und dann muss er auch noch Hilfe annehmen können. Das sind drei Stufen, die JEDER durchlaufen muss. Nur dann kann die Hilfe bzw. Unterstützung auch funktionieren.

Ich sage gerne zu meinen Kunden: Du kannst JETZT gerne AUFgeben – hole Luft , sammele Energien um dann gestärkt wieder zu kommen.

J: Ist Aufgeben dann wie HINFALLEN?

AMF: Hinfallen ist auch so ein Begriff geworden: Wer gelernt hat, wie Hinfallen funktioniert, dann kann wesentlich leichter wieder aufstehen…

Hin und Fallen kann auch bedeutet, dass da eine Falle ist, da muss ich mal Hin-Schauen oder ich falle halt mal hin – na dann kann ICH auch wieder aufstehen. Wenn du liegen bleibst zieht das Leben an dir vorbei und die Anderen werden gewinnen – willst du das? In der Regel will oder möchte das niemand. Das Problem besteht darin, nicht zu wissen wie es weiter gehen könnte – wie man wieder aufstehen könnte. Hinfallen bedeutet, sich für den Moment des Lebens auszuruhen und dann wieder AUFSTEHEN.

J: Ist aufgeben aber manchmal nicht auch wichtig? Also manchmal, wenn nach etlichen Versuchen nichts funktioniert?

AMF: Dann reden aber vom LOS-Lassen, also vom Los und etwas endlich zu lassen. Einstein hat mal gesagt: wenn du immer das Gleiche machst und dabei auch noch auf ein anderes Ergebnis hoffst, dann nennt man das …Wahnsinn. …

Los – und lassen ist enorm wichtig – aber auch nicht immer möglich. Ich möchte hier das Beispiel von Schauspielern nehmen. Die meisten hängen an ihrem Beruf, weil es ihre Berufung ist und wenn ich die fragen würde: Meinst du nicht, du solltest was anderes machen? Du kommst doch immer nur so gerade über die Runden? Du musst dreimal im Jahr zum Amt? Dann wird die Antwort sein: ich liebe meinen Beruf und kann mir einfach nichts anderes vorstellen und solange ich damit auskomme und ich lebe, ist alles gut. Und ich brauche nicht viel….. Solange also für einen SELBER alles in Ordnung ist, weil man sich damit arrangiert hat passt alles und das ist kein SCHEITERN.

Das ist die eine Seite aber die andere schaut natürlich so aus: Wenn eine Idee nach Jahren nachweislich nicht mehr funktioniert und der Betroffene einfach nur nicht loslassen will, dann ist das problematisch. Manchmal ist es eben wichtig LOS zu Lassen. Das Beispiel gibt es Ja auch bei Partnerschaften, Beziehungen etc. LOS und Lassen schafft Platz für NEUES – und das kann man mit Coaching auch bereits vorher erlernen. Man muss also nicht erst mitten drin stecken, dass ist ERLERNBAR.

J: Gibt es Menschen, die damit nicht mehr klar kommen und aus dem Leben scheiden?

AMF: Ja die gibt es natürlich. Menschen, die in – aus ihrer Sicht auswegloser Situation – nicht die drei Stufen der Hilfe hinter sich haben – diese werden dann immer still. Und aus meiner Zeit im Rettungsdienst weiß folgende Regel: Wer schreit, der atmetet und muss nicht sofort versorgt werden. Wer nicht schreit, der atmet vielleicht auch nicht!….. Und so ist auch im Leben – die Stillen, die alles mit sich selber ausmachen wollen – die sind gefährdet. Und ARG ist das beste Beispiel: die höchste DICHTE an Selbstmord und die höchste Dichte an Therapeuten und bezechender Weise kein soziales Auffangnetz wie in Deutschland.

J: Und was kommt davor?

AMF: Nun ja,  wenn Menschen gerade im SCHEITERN sind und es durchlaufen lassen und bevor diese AUFgeben – kommt genau das, woran unsere Gesellschaft erkrankt: wir können nicht mehr mit unseren Gefühlen umgehen und schlittern dann vor lauter FRUST in Stress, Burn Out und Depressionen. Das Ende der Spirale ist dann leider aus AUFgeben des Lebens. In einer Liedzeile heißt es: Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll, bis das Leben mich loslässt… Das ist leider die traurige Wahrheit wenn das Ende erreicht ist. Eigentlich ist der MUT ,den die Menschen aufbringen, eine enorme Energieleistung und eine HINZU-Motivation. Wenn diese Menschen HILFE an ihrer Seite hätten, könnte man diese Energie, diesen MUT für andere Dinge nutzen – zum Beispiel für das Leben.

J: Was ist aus ihrer Sicht eine wichtige Eigenschaft beim SCHEITERN?

AMF: Einer der wichtigsten Werte und Emotionen ist wirklich das NICHT AUFgeben, das Dranbleiben am Leben und an sich SELBST. Und dann wiederum neue PERSPEKTIVEN zu schaffen. Wieder einen Sinn in allem zu sehen. Das, was passiert ist, gut zu analysieren um nicht eventuell den selben FEHLER wieder zu machen. Und jede Menge Selbstsicherheit und Bewusstsein für sich zu schaffen und ein respektvoller Umgang mit sich selber.

J: Sind Fehler vermeidbar oder kommen die einfach vor?

AMF: Wir reden ja immer gerne vom Scheitern und das wir es ja mittlerweile übertreiben. Und einige meinen ja auch, dass wir eine Kultur des Scheiterns brauchen. Das sehe ich nicht so. Wir brauchen endlich eine “FehlerKultur”. Wir brauchen eine Gesellschaft, die Fehler nicht verurteilt sondern unterstützt. Wir brauchen eine Kultur, wo man sich darüber freut , dass Fehler gefunden werden. An sich ist es doch so, dass JEDER Fehler, der gefunden wird, Unternehmen Millionen oder Milliarden – je nach Größe des Unternehmens – spart. Die Realität schaut jedoch anders aus. Selbst wenn Fehler gefunden werden, werden diese nicht ÖFFENTLICH gemacht bzw. wird der  berühmte Mantel des Schweigens darüber gelegt.

Drehen Sie das Wort FEHLER bitte einmal um, also vertauschen Sie die Buchstaben. Was entsteht ist das Wort HELFER. Und genau so machen Sie aus dem Fehler einen Helfer für Ihre Zukunft. Das klingt doch viel positiver.

J: Ist das nicht Wortklauberei?

AMF: Nicht nur beim Scheitern geht es oft um die Macht der Worte oder die damit verbundene Magie. Wörter oder Sprache lösen gerade bei deutschsprachigen Menschen sofort Bilder aus. Ausgesprochene Wörter sind wie entlaufene Hunde – man kann sie ganz schlecht einfangen.

Wenn man den Wörtern eine Bedeutung gibt, erhalten diese eine neue Begrifflichkeit oder das Bild im Kopf verändert sich. Nehmen wir noch mal das Wort HINFALLEN. Für den einen ist HINFALLEN etwas sehr Leichtes, hat mit Leichtigkeit zu tun und er sieht sich zwar fallen aber es tut nicht weh – stehe ich halt wieder auf und gut ist. Für den nächsten ist hinfallen schmerzhaft, er sieht sich als Kind hinfallen und das Knie war aufgeschürft und er hat geweint …. der nächste erlebt hinfallen wie einen unendlichen Fall und so weiter und so weiter

 

 

Was kann ich denn nun machen wenn ich gescheitert bin und was wenn ich vorbeugen will?

Muss denn jeder erst einmal Scheitern erlebt haben?

Lernt eigentlich jeder vom Scheitern?

Gibt es auch Menschen die nichts Lernen aus dem Scheitern?

Warum ist DRANbleiben so wichtig?

Wann wird aus dem SCHEITERN wieder ein Erfolgserlebnis?

Was macht Scheitern aus ihrer Sicht so Erfolgreich?